Sonntag, 29. April 2007

Liberale ohne außenpolitisches Leitmotiv

von Johannes Vogel

Fast 30 Jahre stellte die FDP den Außenminister. Den sicherheitspolitischen Herausforderungen des 21. aber scheint sie nicht immer gewachsen. Sie täte gut daran, ihre Kritik am Abwehrsystem der USA zu überdenken.

Aufgabe der Opposition ist es, die parlamentarische Mehrheit zu kontrollieren. Als Regierung im Wartestand muss man aber auch deutlich machen, wofür man streitet. Nur so lassen sich gute Umfragewerte weiter ausbauen und Wahlen gewinnen. Eine Domäne der FDP ist – schon alleine aus der Parteigeschichte heraus – die Außenpolitik.

Die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Birgit Homburger, hat das von der Bundesregierung vorgelegte „Weißbuch der Sicherheitspolitik“ zu Recht mit den Worten „In diesem Weißbuch ist keine gesamtpolitische Konzeption erkennbar“ kritisiert. Doch auch für uns Liberale gilt: Nur mit einem Blick für die Gesamtsituation können Fehlentscheidungen vermieden und die Regierung in die richtige Richtung getrieben werden. Welche Antworten gibt die FDP aber auf die aktuellen Fragen der Außenpolitik? Was sollte gerade liberale Außenpolitik auszeichnen?

Einigkeit über außenpolitische Werte

Deutschland kann und darf den Problemen der Welt nicht den Rücken zukehren. Das heißt aber, neben ökonomischen und sicherheitspolitischen Interessen auch für eine Verbreitung der Freiheit in der Welt Verantwortung zu übernehmen. Wir müssen daher zunächst auf europäischer und dann auf transatlantischer Ebene wieder Einigkeit darüber gewinnen, welche Werte unserer Außenpolitik zugrunde liegen. Gemeinsam müssen wir uns dann humanitären Katastrophen entgegenstellen und die Verbreitung von Menschenrechten und Demokratie vorantreiben.

Macht der Westen aktuell aber im Rahmen der Vereinten Nationen genug Druck auf die sudanesische Regierung und deren Unterstützer in China, um das Morden in Darfur endlich zu beenden? Wird Russland genügend in die Pflicht genommen, sich dem UN-Plan für die wohl unumgängliche Unabhängigkeit des Kosovo nicht in den Weg zu stellen? Unternimmt der Westen genug diplomatische Anstrengungen für den Aufbau von funktionierenden Zivilgesellschaften im nahen und mittleren Osten? Wohl kaum.

Positive Bewertung des Raketenabwehrsystems

Aber auch für unsere eigene Sicherheit stellen sich neue Herausforderungen. Die FDP reduziert ihre Position in der laufenden Debatte um das Raketenabwehrsystem leider auf die Forderung nach europäischer Einigkeit und die Verhinderung eines „neuen Rüstungswettlaufs“ durch die Einbindung Russlands. Beides ist natürlich wichtig, schließlich darf die Antwort auf neue Bedrohungen nicht zum Wiederaufflammen alter führen. Viel zu kurz kommt bei uns Liberalen bisher aber die positive Bewertung des Systems selbst.

Die Bedrohung durch einen nuklearen Iran ist eine andere als die des Kalten Krieges. Sicherheit durch Abschreckung funktioniert nicht bei unberechenbaren Akteuren. Dass die aktuelle iranische Regierung nicht immer verantwortlich agiert, hat die Geiselnahme von britischen Soldaten in den letzten Wochen erneut bewiesen. Müssen wir also im eigenen Sicherheitsinteresse nicht auch Vorkehrungen für den Fall treffen, dass diplomatische Bemühungen zur Verhinderung unkalkulierbarer neuer Atommächte scheitern könnten? Eine adäquate Antwort kann hier auch für ganz Europa ein funktionierendes Raketenabwehrsystem sein.

Mehr Engagement in Afghanistan

Doch die außenpolitische Diskussion in Deutschland hat noch einen weiten Weg vor sich: Ist uns zum Beispiel wirklich klar, welche Verantwortung wir in den Vereinten Nationen für den Mittleren Osten und im Kampf gegen den Terrorismus übernommen haben? Die Nato steht in Afghanistan ganz offensichtlich an einem Wendepunkt. Entweder zieht sie sich auf mittlere Sicht zurück und überlässt das Land sich selbst oder sie intensiviert ihre Bemühungen und überarbeitet ihre Strategie.

Ersteres hieße, bei der Verbreitung der Freiheit in Afghanistans und der ganzen Region zu scheitern und dem Land zu erlauben, sich in einen Ausbildungsraum für Terroristen zurückzuverwandeln. Also muss man die zweite Alternative konsequent verfolgen. Das heißt zunächst aber, dass Deutschland zu zwei Einsichten kommen muss anstatt über abstruse Vorschläge zur Einbindung der Taliban zur diskutieren: Die zivilen Aufbaubemühungen und die Stärkung von staatlichen Strukturen zum Beispiel durch die Ausbildung und Ausstattung von Polizeikräften müssen erheblich erfolgreicher und effizienter werden als sie das bisher sind.

Aber auch um die militärische Komponente kommt man nicht herum. Der deutsche UN-Sonderbeauftragte Tom Koenigs tritt nicht ohne Grund für eine starke Nato-Präsenz und mehr Engagement der Europäer als bisher ein. Die Bundeswehr wird also bei der Unterstützung der Verbündeten im umkämpften Süden des Landes auch über die Tornados hinaus zunehmend dabei sein müssen. Hierüber offen zu reden, ist hierzulande mehr als überfällig. Es muss die Aufgabe liberaler Außenpolitik sein, in dieser Debatte klar für die deutsche Mitverantwortung in Afghanistan Partei zu ergreifen.

Umbau der Bundeswehr

Die Frage des Einsatzes der Bundeswehr führt unweigerlich auch zu einem letzten Thema: In der jüngeren Vergangenheit wurde viel über knappe Kapazitäten, mangelnde Ausrüstung und veraltete Strukturen der Bundeswehr diskutiert. Sicherheit gibt es nicht kostenlos; es ist inakzeptabel, das Leben von Soldaten leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Darf der Schluss daraus dann aber der Rückzug aus internationaler Verantwortung sein? Oder muss die Folgerung nicht viel mehr der konsequente Umbau der Bundeswehr zu einer schlanken, flexibel einsetzbaren und gut ausgebildeten Truppe ohne Wehrpflicht sein?

Deutschland steht in der Außenpolitik vor allem diplomatisch vor großen Herausforderungen. Die liberale Gesamtkonzeption hierfür sollte aber klar sein: Ein roter Faden der Freiheit ist das Leitmotiv, dass aller deutschen Außenpolitik zugrunde liegen muss. Es ist Aufgabe der FDP, für dieses Leitmotiv engagiert zu streiten.

Quelle: welt.de 29. April 2007