Dienstag, 1. Januar 2008

Deutschland ist auf einem guten Weg


Der Dreiklang von "Sanieren, Reformieren und Investieren" war sehr erfolgreich. Die Bundesregierung werde ihre Politik konsequent fortsetzen, kündigt Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Gastbeitrag im "Handelsblatt" an. "Wir wollen die Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung sowie faire Teilhabe weiter verbessern."

28.12.2007. Deutschland befindet sich zum Jahreswechsel 2007/2008 weiter im Aufschwung. Viele Menschen haben im zurückliegenden Jahr ganz persönlich die Erfahrung gemacht, dass Wachstum Beschäftigung schafft. In den vergangenen zwei Jahren sind über eine Million zusätzliche Arbeitsplätze entstanden, weit überwiegend sozialversicherungspflichtige Stellen. Löhne, Gehälter und Renten steigen. Auch die Auftragsbücher der Unternehmen sind gut gefüllt. Zudem war der Staatshaushalt im abgelaufenen Jahr erstmals seit fast zwei Jahrzehnten ausgeglichen. Diese Erfolge verdeutlichen: Reformen zahlen sich aus. Deutschland ist auf einem guten Weg.
Jetzt gilt es, vor dem Hintergrund gestiegener außenwirtschaftlicher Risiken die Wachstumskräfte unserer Volkswirtschaft weiter zu stärken. Nachlassende Veränderungsbereitschaft oder eine Rücknahme von Reformen würde die erzielten Beschäftigungserfolge gefährden. Beschäftigung für möglichst viele Menschen ist der Königsweg zu mehr sozialer Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Wir haben einen leistungsfähigen Sozialstaat, der für den nötigen Ausgleich bei den materiellen Lebensbedingungen sorgt. Deutschland muss bei der Einkommens- und Vermögensverteilung den internationalen Vergleich nicht scheuen. Die Balance von Freiheit und Gerechtigkeit in unserer Sozialen Marktwirtschaft hat sich bewährt. Wir wollen sie bewahren.
Die Bundesregierung wird daher ihre Politik des Dreiklangs von Sanieren, Reformieren und Investieren konsequent fortsetzen. Wir wollen die Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung und eine faire Teilhabe weiter verbessern. Wichtige Maßnahmen dazu sind die dauerhafte Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, die verstärkte Bemühung um Bildung, Innovation und Qualifizierung sowie ein Ausbau der Beteiligung der Mitarbeiter am Kapital ihrer Unternehmen.
Mit Beginn des Jahres 2008 sinken die Lohnzusatzkosten nochmals deutlich. Zugleich tritt die Unternehmensteuerreform mit einer international wesentlich wettbewerbsfähigeren Besteuerung der Unternehmen in Kraft. Die Qualität eines Standorts wird heute allerdings nicht mehr allein national bestimmt. Viele wirtschaftspolitische Herausforderungen können wir nur noch in enger Kooperation mit unseren internationalen Partnern bewältigen. Die klassische Trennung zwischen Innen- und Außenpolitik ist überholt. Wir werden uns daher mit aller Kraft dafür einsetzen, das wirtschafts- und gesellschaftspolitische Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft um einen internationalen Ordnungsrahmen zu ergänzen. Dazu gehören Regeln zum Schutz des geistigen Eigentums genauso wie die Definition internationaler sozialer Standards. Dazu gehört auch mehr Transparenz auf den internationalen Finanzmärkten.
Die Bundesregierung hat frühzeitig für einen freiwilligen Verhaltenskodex für Hedge-Fonds geworben. Dies war ein Thema des Heiligendamm-Gipfels im Rahmen der deutschen G8-Präsidentschaft, inzwischen wurde in der Hedge-Fonds-Branche ein entsprechender Vorschlag formuliert. Zugleich haben wir darauf hingewirkt, dass auf Ebene der EU Maßnahmen für eine Verbesserung der Transparenz geprüft werden. Der Europäische Rat wird sich im Frühjahr 2008 mit diesem Thema auf der Grundlage eines Fortschrittsberichts befassen. Die Entwicklungen der vergangenen Monate zeigen, wie dringend und überfällig diese Initiativen waren.
Unsere Volkswirtschaft profitiert in hohem Maße von der engen Einbindung in die globalen Märkte. Auch 2007 war Deutschland Exportweltmeister im Warenhandel. Daher setzt sich die Bundesregierung nach Kräften dafür ein, dass weltweit neue Marktchancen auch für deutsche Unternehmen entstehen. Gleichzeitig ist unser Land ein bevorzugtes Ziel für ausländische Investoren - dies soll so bleiben. Klar ist aber auch: Diese Investitionen dürfen die Grundlagen unserer Wirtschaftsordnung - die öffentliche Sicherheit und Ordnung - nicht infrage stellen. Die Bundesregierung wird daher in Kürze einen Gesetzentwurf vorlegen, der eine Prüfung und im Einzelfall auch die Möglichkeit der Untersagung von ausländischen Investitionen in Deutschland vorsieht, soweit dies aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unerlässlich ist. Ein solches Instrumentarium ist in anderen marktwirtschaftlichen Ländern wie den USA, Frankreich oder Großbritannien längst üblich.
Um die drängenden globalen Herausforderungen zu bewältigen und auf internationaler Ebene mit einflussreicher Stimme zu sprechen, ist ein starkes und einiges Europa heute wichtiger denn je. Ich bin sehr froh darüber, dass es unter unserer EU-Ratspräsidentschaft gelungen ist, die Erfolgsgeschichte der europäischen Integration fortzuschreiben. Mit der Unterzeichnung des "Vertrags von Lissabon" am 13. Dezember 2007 haben wir die Europäische Union mit inzwischen 27 Mitgliedstaaten auf eine erneuerte gemeinsame Grundlage gestellt.
Der Vertrag bringt historische Fortschritte für alle Europäerinnen und Europäer - durch einen größeren Einfluss des Europäischen Parlaments im europäischen Gesetzgebungsverfahren, durch die klare Abgrenzung von Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten und durch die gewachsene Kontrolle der nationalen Parlamente in Subsidiaritätsfragen. Dieser Reformvertrag stärkt die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union im Innern und nach außen.
Überbordende bürokratische Lasten sind damit nicht vereinbar. Der Abbau unnötiger Bürokratie in Europa bleibt daher auch in Zukunft eine zwingende Aufgabe. Die Verwaltungslasten für die Unternehmen sollen bis 2012 um 25 Prozent reduziert werden. Deutschland will dieses Ziel bereits 2011 erreichen. Jetzt geht es darum, konkrete Vorschläge zum Abbau oder zur Reduzierung der identifizierten Lasten zu prüfen und umzusetzen.
Auch in der Klima- und Energiepolitik will die Europäische Union Vorreiter sein. Auf dem Europäischen Rat im Frühjahr 2007 haben sich die Mitgliedstaaten daher auf ehrgeizige Ziele zur Minderung der Treibhausgasemissionen sowie zur Steigerung der Energieeffizienz und des Anteils erneuerbarer Energien verständigt. Diese Beschlüsse haben die Basis gelegt für die geschlossene Haltung Europas bei der Klimaschutzkonferenz auf Bali. Ohne dieses starke Auftreten Europas - und ohne die Rückendeckung durch die Klimabeschlüsse des G8-Gipfels in Heiligendamm - wäre auf Bali wohl keine Einigung auf den Weg für die eigentlichen Verhandlungen über wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz und für verbindliche Ziele zur Verringerung der Treibhausgas-Emissionen möglich gewesen. Ich halte das für einen großen Erfolg. Es gibt ein Bewusstsein für den dringenden Handlungsbedarf.
Jetzt geht es darum, dieser Einigung auf nationaler Ebene Taten folgen zu lassen. Ich wünsche mir, dass Deutschland als großes Industrieland dabei eine Vorreiterrolle einnimmt. Das integrierte Energie- und Klimaprogramm, das die Bundesregierung Anfang Dezember verabschiedet hat, ist das weltweit umfassendste Maßnahmenpaket zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Wir setzen damit den Rahmen für eine Steigerung der Energieeffizienz und den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien.
Entscheidend ist, dass Wirtschaft und Verbraucher diesen Impuls aufgreifen und von den Fördermöglichkeiten Gebrauch machen, die beispielsweise für die Gebäudesanierung und das Heizen mit erneuerbaren Energien angeboten werden. Ich bin davon überzeugt: Wir werden in den nächsten Jahren beachtliche technische Neuerungen sehen - sowohl bei der Energieproduktion, also beispielsweise bei konventionellen Kraftwerken und bei der Stromerzeugung aus Solarenergie, als auch auf der Verbraucherseite, das heißt bei Geräten, Fahrzeugen und Gebäuden. Dieser Innovationsschub wird erheblich dazu beitragen, dass Deutschland seine führende Position als Hochtechnologieland in Zukunft behaupten kann.
Die Sicherung von Wachstum und Wohlstand in Deutschland geht über eine rein wirtschaftliche Dimension weit hinaus. Sie hängt immer mehr von unserer Bereitschaft zu internationalem Engagement ab. Dabei gewinnen gut funktionierende Partnerschaften für die Durchsetzung unserer Interessen an Wert. Deshalb müssen wir beides stärken: die europäische Zusammenarbeit und die atlantische Partnerschaft. Dabei gilt es, darauf zu achten, dass wir als europäische und atlantische Partner solidarisch bleiben und uns von niemandem spalten lassen. Der auf Initiative der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr eingerichtete Transatlantische Wirtschaftsrat wird die Wirtschaftsbeziehungen zwischen EU und USA weiter stärken.
Darüber hinaus kommt es darauf an, neben einer besseren Koordinierung unserer Außenpolitik in der EU insbesondere unsere Fähigkeiten beim militärischen und vor allem auch zivilen Konfliktmanagement auszubauen. Zugleich wird im kommenden Jahr der Nato-Gipfel in Bukarest Gelegenheit bieten, den Zusammenhalt der Allianz zu festigen, die als Garant unserer Sicherheit in Europa alternativlos ist.
Dabei sollten wir die Zeit bis zum Nato-Gipfel nutzen, um wichtige Themen einer Lösung näherzubringen, bei denen auch Russland ein besonderes Interesse geltend macht. Dazu gehören die Frage einer Raketenabwehr und die Zukunft des KSE-Vertrags. Hier dürfen keine neuen Gräben aufgerissen werden. Die Nato und insbesondere die USA sind in den letzten Monaten weit auf Moskau zugegangen. Selbstverständlich ist Russland für uns Nachbar und Partner. Ich wünsche mir, dass unsere Beziehungen weiter an Dichte und Bedeutung zunehmen. Russland verfügt über bedeutende Ressourcen. Zugleich bleibt aber die Entwicklung fester rechtsstaatlicher und demokratischer Strukturen wesentlich. Wir werden alle über diese Elemente im nächsten Jahr auch mit einem neuen russischen Präsidenten sprechen.
Insbesondere auf dem Balkan und in Afghanistan beteiligen wir uns als Nato und im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik an wichtigen Missionen, die ein Erfolg werden müssen. Der Kosovo steht dieser Tage an einer Wegscheide: Nachdem nun wirklich alle Versuche einer Verhandlungslösung zwischen Serben und Albanern gescheitert sind, ist Europa in der Verantwortung, eine Lösung zu finden. Diese Lösung muss Klarheit schaffen, eine Perspektive von Stabilität und Sicherheit in der gesamten Region eröffnen und damit den Grundstein für eine gute Zukunft legen.
In Afghanistan müssen ziviler Aufbau und militärisches Engagement weiter Hand in Hand gehen. Unser Verständnis einer "vernetzten" Sicherheitspolitik bewährt sich mit dem Einsatz der Bundeswehr im Norden des Landes. Jetzt müssen wir es mit allen Partnern schaffen, dem Aufbau des Landes ein "afghanisches Gesicht" zu geben. Mein Besuch in Afghanistan hat mir gezeigt: Unser Engagement in Afghanistan gegen den Terror und für eine neue, junge Generation, die eine Zukunft ohne Angst und in Würde verdient hat, ist jede Mühe wert.
Dies gilt ebenso für die Menschen im Nahen Osten. Nachdem es unter unserer EU-Präsidentschaft gelungen ist, das Nahost-Quartett wiederzubeleben, hat das intensive Engagement vor allem der Vereinigten Staaten mit der Konferenz von Annapolis einen neuen Prozess in Gang gesetzt. Als Europäer werden wir ihn nach Kräften begleiten. Wir erwarten freilich auch, dass die arabischen Staaten bereit sind, sich entsprechend dauerhaft einzubringen. Dabei bleibt Deutschland der Existenz und der Sicherheit Israels in besonderem Maße verpflichtet. Dementsprechend werden wir auch den 60. Jahrestag der Staatsgründung Israels in herausgehobener Weise würdigen.
Eine unserer größten sicherheitspolitischen Sorgen bleibt das iranische Nuklearprogramm. Wir sollten uns nichts vormachen: Es ist gefährlich und weiterhin Grund zu großer Besorgnis, dass sich der Iran entgegen den Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen weiterhin weigert, die Urananreicherung zu suspendieren. Die unerträgliche Hetze des iranischen Präsidenten gegen Israel spricht zudem Bände. Es bleibt ein vitales Interesse der gesamten Weltgemeinschaft, einen nuklear aufgerüsteten Iran zu verhindern - wenn nötig mit der weiteren Verschärfung der Sanktionen. Wir werden mit unseren Partnern weiter mit Entschlossenheit und Geduld an einer diplomatischen Lösung arbeiten. Zugleich zeigt die Brisanz dieser Proliferationsproblematik auch die grundsätzliche Bedeutung, die wir einer wirkungsvollen Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik beimessen müssen.
Die genannten Themen verdeutlichen die Notwendigkeit einer engen internationalen Zusammenarbeit. Gerade mit Ländern und Regionalorganisationen, deren Bedeutung wächst, haben wir sichtbare Fortschritte auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm gemacht. Die Reformpartnerschaft mit Afrika ist als zentraler Bestandteil des G8-Prozesses verankert. Und wir haben in Heiligendamm beschlossen, als G8-Staaten mit weltwirtschaftlich wichtigen Partnern wie China, Indien, Südafrika, Brasilien und Mexiko in einen ständigen, intensiven Dialog einzutreten.
Gerade in den dynamischen Volkswirtschaften Asiens wird deutlich, mit welchem Tempo sich die Veränderungen unserer Welt vollziehen. Wir müssen daher die neuen globalen Partner dazu ermuntern, ihrer wachsenden Verantwortung gerecht zu werden. Dabei liegt mir vor allem daran, die engen Beziehungen zu China weiter zu festigen. Bei den Olympischen Spielen werden alle Augen auf China gerichtet sein. Das Land hat die Chance, sich als Gastgeber für ein großartiges Sportereignis zu präsentieren.
Bei alledem ist mir eines besonders wichtig: Wir müssen in unseren Beziehungen auch in Zukunft alles daransetzen, für unsere Ansprüche an eine wertegebundene Politik einzutreten. Ich bin überzeugt: Die Glaubwürdigkeit, die wir so gewinnen, ist unsere größte Stärke.