Mittwoch, 19. Dezember 2007

Zuma kommt, die Probleme wachsen

Von Thilo Thielke, Nairobi

Jacob Zuma löst Thabo Mbeki als ANC-Präsident ab - und ist damit so gut wie sicher nächstes Staatsoberhaupt Südafrikas. Der Linkspopulist wird gefeiert in den Townships und ist gefürchtet bei den Weißen und dem schwarzen Establishment. Ein klares Programm hat er nicht.

Fast wäre der Parteitag des African National Congress (ANC) vollends im Tumult geendet. Wann immer Südafrikas Präsident Thabo Mbeki und seine Entourage in den vergangenen Tagen in Polokwane das Wort ergriffen, buhten, trampelten, johlten und pfiffen die Anhänger des Herausforderers Jacob Zuma und stimmten krawalltrunken dessen Lieblingslied "Bring mir mein Maschinengewehr" an.

Spätestens, als Mbekis rhetorische Frage, was den ANC in diesen stürmischen Tagen teile, aus dem Publikum mit einem in den Saal gegrölten "Du!" beantwortet wurde, war klar: Die Tage Thabo Mbekis sind gezählt. Mbekis Frage, wie man die neuen Herausforderungen angehen solle, wurde übrigens so beantwortet: mit der Aufforderung, endlich als Präsident zurückzutreten.

Am Ende des mehrtägigen Spektakels in der Steppe Transvaals stand ein klarer Sieg Zumas - er erhielt 2329 Stimmen, Mbeki nur 1505. Damit machten die Delegierten Zuma, der sich selber gerne "Zuluboy", nennt zum neuen ANC-Präsidenten und damit ziemlich sicher zum kommenden Präsidenten Südafrikas: Bisher waren die ANC-Führer – zunächst Mandela, dann Mbeki – immer auch Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen. Die wiederum pflegt der ANC im Land am Kap haushoch zu gewinnen. 2009 wird wieder gewählt, Mbeki darf dann nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.

Sein politisches Ende allerdings hatte sich schon seit langem angekündigt. Erst kürzlich votierten auf einem ANC-Provinzparteitag fünf von neun Regionalverbänden für den Linkspopulisten Zuma. Der Gewerkschaftsdachverband Cosatu stand hinter ihm, die Kommunistische Partei, der Jugendverband, sogar die Frauenliga – obwohl Zuma erst im vergangenen Jahr wegen Vergewaltigung angeklagt worden war.

Es muss mit dem Realitätsverlust der Mächtigen zu tun haben, dass Mbeki nicht sah, was sich da gegen ihn zusammengebraut hatte. Andernfalls hätte er sich die Demütigung erspart, und einem vielleicht aussichtsreicheren Herausforderer die Chance im Kampf gegen Zuma gelassen. Diese Chance ist vertan. Gut möglich, dass der Kleinkrieg von Polokwane nun die bereits lange erwartete Spaltung des ANC einleitet: Noch vollbringt die Partei das Kunststück, Kommunisten wie Wirtschaftsliberale zu beherbergen.

Für Südafrika aber kann der ungebildete Zuma, ein ehemaliger Viehhirte aus KwaZulu-Natal, schnell zum Alptraum werden: Nachdem Zuma Geschlechtsverkehr mit einer HIV-positiven Frau hatte, erklärte er der Nation, gegen ein mögliches Ansteckungsrisiko habe er sich ausgiebig geduscht. Zudem soll er in einen Korruptionsskandal um deutsche Kriegsschiffe und schwedische Kampfflugzeuge in den 90er Jahren verwickelt gewesen sein. Zwar konnte man ihm bislang nichts nachweisen, doch sein Finanzberater Shabir Sheik wurde dafür zu 15 Jahre Zuchthaus verurteilt.

Zuma ist das Gegenteil von Vorgänger Mbeki

Öffentlich gibt sich Zuma gerne volksnah, tanzt in Leopardenfellen und singt Kriegslieder. Über Simbabwes Tyrannen Robert Mugabe äußerte in er in einem SPIEGEL-Interview nachsichtig: "Die Menschen lieben ihn, wie können wir ihn da verdammen?"

In Südafrikas Elendsgebieten kommen solche Parolen gut an. Dort werden starke, volksnahe Führer geliebt, die es jenen verhassten Weißen zeigen, die die schwarze Bevölkerungsmehrheit jahrzehntelang mit der Apartheid peinigten. In den Townships und bei der verarmten Landbevölkerung war der Charismatiker Zuma immer beliebter als der Technokrat Mbeki. Er gilt als intellektuell und arrogant und machiavellistisch, eingesponnen in einen Kokon obskurer Berater und Speichellecker - und er wollte nicht merken, wie ihm die Massen, die von Südafrikas Wohlstand kaum profitierten, entglitten. "Das war eine Schlacht zwischen der elitären, gebildeten und eleganten Klasse innerhalb des ANC und den Armen in den Wellblechsiedlungen und Fabriken", kommentiert Cyril Madlala von der südafrikanischen Zeitung "UmAfrika".

Nun scheint Zumas Ära gekommen - doch die Frage bleibt, ob es demnächst noch viel zu verteilen gibt zwischen Kapstadt und Durban. Die weiße Intelligenz verlässt in Massen die selbsternannte "Regenbogennation", weil sie nach den herrschenden Gesetzen kaum noch Chancen auf attraktive Arbeitsplätze hat. Funktionierende Wirtschaftunternehmen werden ruiniert, weil große Teile per Dekret an schwarze Südafrikaner überschrieben werden müssen. Die von Enteignungsklagen bedrohten Farmer wiederum versuchen, ihr Land loszuwerden, solange sie noch etwas dafür bekommen.

Zuma ist ein klares Programm für die Zukunft bisher schuldig geblieben. Optimisten hoffen, er werde den bisherigen Wirtschaftskurs wenigstens nicht allzu radikal ändern - Pessimisten befürchten Schlimmes.

An der Londoner Börse herrscht deshalb vornehme Zurückhaltung, wenn es um Investitionen in Südafrika geht: in Engagement gilt als Risikogeschäft. Demnächst wird die Inflation wohl sechs Prozent überschreiten. Zudem eskaliert die Kriminalität. Sich allein auf die hohen Rohstoffpreise und das ausgesprochen sensible Geschäft mit dem Tourismus zu verlassen, erscheint nachgerade fahrlässig. Noch geht es Südafrika verhältnismäßig gut.

Doch das Horrorbeispiel Simbabwe zeigt: Etwas aufzubauen, ist schwierig - alles kaputtzumachen ganz leicht.



Quelle: SPIEGEL online, 19.12.2007