Montag, 30. Oktober 2006

SCHUSTER: Lula nicht mehr uneingeschränkter Volksliebling

Pressemitteilung vom 30.10.2006

BERLIN. Zum Ausgang der brasilianischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen erklärt die Lateinamerikaexpertin der FDP-Bundestagsfraktion im Auswärtigen Ausschuss Marina SCHUSTER:

Die knappen Wahlen in Brasilien haben vor allem eins gezeigt: Die
Wiederwahl Luis Ignacio Lula da Silva hat nicht mehr die uneingeschränkte Fürsprache der Brasilianer gefunden. Zu sehr ist Lulas Arbeiterpartei (PT) in Korruptionsaffären verstrickt, hat seine Politik das Land in reich und arm gespalten. Letztlich ist sein Herausforderer Geraldo Alckmin gestärkt aus der Stichwahl hervorgegangen, auch weil sein liberaler Wirtschaftskurs ihm vor allem die Stimmen der Mittelschicht Brasiliens eingebracht haben. Diese Signale muss Lula wahrnehmen und die Politik der Almosen durch eine Politik des wirtschaftlichen Wachstums ersetzen, von der letztlich alle profitieren.
Brasilien muss auch auf dem internationalen Parkett klare Signale und
Prioritäten setzen. Als wichtigstes Land in Südamerika sollte Brasilien
eine Schlüsselrolle bei den WTO-Verhandlungen einnehmen. Doch Brasiliens Forderung nach Senkung der Zölle in der EU darf keine Einbahnstraße sein. Brasilien muss seinen Protektionismus ebenso aufgeben und die hohen Industrie-Tarife endlich abbauen. Auf der anderen Seite sollte sich Brasilien mit allerlei Engagements in internationalen Verbänden und dem Streben nach einer Vorreiterrolle in Südamerika nicht wie bisher verzetteln.

Auch der MERCOSUR muss als regionales Wirtschaftsbündnis wieder belebt werden. Die Bundesregierung sollte deshalb in jedem Fall Brasilien und dem MERCOSUR wieder mehr Beachtung schenken und die Verstimmungen zwischen EU und MERCOSUR beseitigen.

Auch innerhalb Südamerikas ist Lula gefordert. Dem zunehmenden Linksruck und der Verstaatlichung von Privateigentum auf dem Kontinent muss Lula ein Gegengewicht entgegensetzen. Besonders gegen Venezuelas Präsident Hugo Chavez sollte die Politik Lulas klar Stellung beziehen, um stabilisierend auf den Kontinent zu wirken.