Montag, 29. Oktober 2007

"Die SPD wird unberechenbarer und unzuverlässiger"

Politiker von CDU und CSU beklagen sich lautstark über die Ergebnisse des SPD-Parteitags - während der Gewerkschaftsbund die Wiederentdeckung sozialdemokratischer Grundwerte lobt.


Die SPD hat nach Darstellung ihres neuen Vize-Vorsitzenden Frank-Walter Steinmeier mit dem Bundesparteitag in Hamburg keinen politischen Kurswechsel eingeleitet. "Von Linksruck kann keine Rede sein", sagte der Bundesaußenminister der in Hannover erscheinenden Neuen Presse. "Kurt Beck steht nicht für einen Linksruck der Partei. Er ist ein Pragmatiker und wird nicht zulassen, dass sich die SPD von ihrer Politik nah bei den Menschen verabschiedet und weg von der Mitte rückt."
Dagegen sieht Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Sozialdemokraten von ihrem bisherigen Kurs abrücken. "Wir nehmen zur Kenntnis, dass die SPD angesichts von weniger Mitgliedern und auch nicht zufriedenstellenden Umfragen sich gesagt hat: 'Wir machen einen solchen Linksruck'", sagte die CDU-Vorsitzende in der ZDF-Sendung "Berlin direkt“.
CSU-Chef Erwin Huber bescheinigte der SPD am Sonntagabend in der ARD einen "Linksdrall". Die SPD "bewegt sich von der Koalition weg", sagte er in der Sendung "Anne Will". Huber warf den Sozialdemokraten eine "Anbiederung" an die Linke vor. "Das Regieren wird härter und schwieriger, die SPD wird unberechenbarer und unzuverlässiger."
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla kündigte im Kölner Stadt-Anzeiger an, dass die Union die Umsetzung zentraler Beschlüsse des Parteitages verhindern werde. "Die CDU wird dafür sorgen, dass die ganzen aufschwungfeindlichen Beschlüsse des SPD-Parteitags nie Regierungspolitik werden." Pofalla nannte den Beschluss für einen allgemeinen Mindestlohn von 7,50 Euro in der Stunde. Zur der vom Parteitag beschlossenen längeren Bezugsdauer von Arbeitslosengeld für Ältere bekräftigte Pofalla die Forderung nach einer aufkommensneutralen Finanzierung.
Die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti ging in der Hessisch/Niedersächsischen Allgemeinen davon aus, dass der Großen Koalition nun schwierige Verhandlungen bevorstehen.
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, sprach von einem "inhaltlichen Neuanfang der SPD". Er sehe nach dem Hamburger SPD-Parteitag "eine neue strategische Hinwendung zu den sozialdemokratischen Grundwerten". Damit wende sich die Partei wieder den "klassischen SPD-Wählern" zu, sagte er der Berliner Zeitung. In der Frankfurter Rundschau mahnte er zugleich weitere Korrekturen an den Sozialreformen an. Die SPD müsse sich bis zur Bundestagswahl 2009 auch von der Rente mit 67 verabschieden. "Sonst wird es die SPD bei den Arbeitnehmern sehr schwer haben."
Der Linke-Vorsitzende Oskar Lafontaine wertete den SPD-Parteitag in der ARD-Sendung "Anne Will" als "Versuch einer Kurskorrektur". Er verwies vor allem auf den SPD-Beschluss zum Arbeitslosengeld für Ältere. Lafontaine kritisierte zugleich, dass die SPD keine Antwort auf die Fragen gebe, die die Menschen wirklich bewegten. "Die große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland spürt vom Aufschwung nichts." Dem Berliner Tagesspiegel sagte Lafontaine: "Ohne die Linkspartei hätte Beck die bescheidenen Korrekturen, die die SPD jetzt beschlossen hat, nicht ins Auge gefasst."
Zahlreiche Sozialdemokraten begrüßten die Ergebnisse des Parteitages. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sagte, die Sozialdemokraten hätten nun als Erste ein Programm, das Antworten auf die Fragen der politischen und ökonomischen Globalisierung gebe. Niedersachsens SPD-Spitzenkandidat Wolfgang Jüttner sprach von einem "Schub" der SPD für die Landtagswahl in drei Monaten. "Das soziale Profil der SPD ist bestätigt und bestärkt worden", sagte er. Sachsen-Anhalts SPD-Chef Holger Hövelmann sagte, er erwarte vom in Hamburg verabschiedeten Grundsatzprogramm "Schwung nach innen und außen".

Quelle:
sueddeutsche.de 29. Oktober 2007